A I - A V Altes Kanzleiarchiv (Abteilung)

Archivplan-Kontext


Identifikationsbereich

Signatur:A I - A V
Titel:Altes Kanzleiarchiv
Zusätzliche Begriffe:Chancellerie

Angaben zur Benutzung

Bemerkungen:Vgl. Verwaltungsgeschichte

Angaben zum Kontext

Verwaltungsgeschichte:In der ältesten, von Konrad Justinger 1421 verfassten Berner Stadtchronik finden sich verschiedene Hinweise auf Briefe und Dokumente, "so in der stat kisten ligend". Eine einzige Truhe genügte demnach zu Justingers Zeiten zur Verwahrung der wichtigsten Schriftstücke der Stadt.
Das rasche Anwachsen des Schriftverkehrs führte bereits im späten 15. und im 16. Jahrhundert zu einer eigentlichen archivalischen Betreuung der Bestände. Aufbewahrungsort der erhaltungswürdigen Urkunden und Dokumente waren die Gewölbe des Berner Rathauses. Zur Führung des Archivs speziell beauftragte Beamte gab es in jener Zeit noch nicht.

Wie Heinrich Türler in seinem "Inventar des Staatsarchivs des Kantons Bern" (1891) bemerkt, gehörte es offenbar lange zu den wesentlichen Merkmalen des Archivs, dass eine "systematische Anordnung des Archivstoffes nie stattfand". Besondere Unordnung schien unter den Kanzleiakten geherrscht zu haben: bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die einzelnen Stücke rein chronologisch aufbewahrt, erst später wurden sie nach geografischen Gesichtspunkten gesondert. Die älteren Schriften lagen zum grössten Teil in Säcken, die neueren in Schubladen, nach Staaten, Kantonen und Ämtern geordnet.

1614 erliess die Regierung den Befehl, "die Gewahrsame und Briefe der Stadt, die in grosser Confusion und in einem Chaos im Kanzleigewölbe und anderswo herumliegen, wodurch der Stadt grosser Schaden erwachse", durch einige junge Burgersöhne erlesen und ordnen zu lassen. 1648 wurde das Amt eines Gewölbeschreibers oder Gewölberegistrators geschaffen, womit die Stadt erstmals einen eigens zu Archivzwecken angestellten Beamten besass.
Es dauerte indessen noch bis ins Jahr 1681, ehe der obrigkeitliche Wunsch nach besserer Ordnung im Kanzleigewölbe in Erfüllung ging. Der neue Kanzleiregistrator, Abraham Tribolet, ordnete nun die Kanzleiakten seit dem 16. Jahrhundert, stellte sie zu Bänden zusammen, registrierte diese und liess sie einbinden. Es entstanden so die älteren Aktenbände über die eidgenössischen Orte und diejenigen der fremden Staaten. Im Jahr 1713 wurde eine Archivkommission eingesetzt, welche fortan "nicht allein die Versorg für die Cantzley-Archiv, sondern auch für alle anderen obrigkeitlichen Archiven" unter ihrer Kontrolle hatte.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Inventarien und Register über das Kanzleiarchiv: die Generalregister über die Ratsmanuale, die Polizei- und Mandatenbücher entstammen jener Zeit. Oberstes Gebot war, das Kanzleiarchiv der laufenden Verwaltung nutzbar zu machen. Die so entstandenen Findmittel mochten in ihrer Zeit brauchbare Arbeitsinstrumente darstellen; gemessen an heutigen wissenschaftlichen Massstäben sind sie jedoch ungenau und unvollständig. Heinrich Türler bemerkt dazu: "Von Rücksichten für die wissenschaftliche Forschung war natürlich keine Rede; nur die Bedürfnisse des praktischen Politikers waren massgebend. Hieraus erklärt sich, warum jene Register unseren heutigen Ansprüchen nur unvollständig genügen".
Ein umfangreicher und wichtiger Teil der Akten des Kanzleiarchivs fiel den frühen Archivierungs- und Registrierungsbemühungen des 17. und 18. Jahrhunderts beinahe zum Opfer: Im Jahre 1817 stellte der damalige Standesbuchhalter Bondeli den Antrag, 38 mit der Aufschrift "Unnütze Papiere" versehene Bände vernichten zu dürfen, die bei Inventarisierungsarbeiten im Archiv gefunden worden waren. Eine nähere Untersuchung ergab, dass es sich dabei um den Rest des Aktenmaterials handelte, aus welchem seit 1681 die alten Aktenbände des Kanzleiarchivs gebildet wurden. Der hohe
Quellenwert dieser Dokumente stand ausser Frage. Die auf diese Weise durch Zufall gerettete Reihe der "Unnützen Papiere" bildet noch heute einen der Schwerpunkte des Kanzleiarchivs und gibt unter anderem detailliert über die Bernische Reformation Auskunft.

Die Neuorganisation des Staatsarchivs im Jahre 1891 brachte eine erste übersichtliche Gesamtdarstellung seiner Bestände. Heinrich Türler, der erste vollamtliche bernische Staatsarchivar, schuf mit seinem "Inventar des Staatsarchivs des Kantons Bern" die Grundlagen für eine moderne Archivgestaltung. Erstmals wurde bei Türler auch der Weg vom Pertinenzarchiv zum heute allgemein anerkannten Provenienzarchiv gesucht.

Im vorliegenden Inventar wird der Versuch unternommen, dem Archivbenützer eine überarbeitete und ergänzte Gesamtdarstellung des Kanzleiarchivs vorzulegen. In seiner Gliederung schliesst es sich weitgehend den Vorarbeiten Heinrich Türlers an. Änderungen wurden dort vorgenommen, wo durch das starke Anschwellen der Aktenproduktion in der Verwaltung des 19. und 20. Jahrhunderts ein eindeutiges Ungleichgewicht in der Wertung der einzelnen Bestände entstanden wäre (Bsp. Regierungsakten seit 1803). Die Protokolle und Akten der Räte, die zweifellos eine Einheit bilden, wurden in einer einzigen Abteilung zusammengefasst. Auf eine strikte Trennung zwischen einem alten und einem neuen Kanzleiarchiv wurde verzichtet; die eindrücklichen Serien des Kanzleiarchivs (Ratsmanuale seit 1465!) sollten nicht durch mehr oder weniger künstlich geschaffene Zeitgrenzen entzweigeschnitten werden. Dies bedingt, dass Bearbeiter der neueren Zeit (19./20. Jahrhundert) immer auch die Bestände A 1 (Regierungsrat), A 2 (Grosser Rat) und A 3 (Präsidialabteilung, Staatskanzlei) zu konsultieren haben.

A I Wie erwähnt, lehnt sich das vorliegende Inventar in seinem Aufbau sehr stark an die Darstellung Türlers von 1891 an. In einer ersten Abteilung (A I) werden die sogenannten Rats- und Kanzleibücher aufgelistet. Neben den grundlegenden Werken zur Verfassung und Gesetzgebung finden sich hier die Sammlungen von Bündnissen und Verträgen, die Dokumente zu den Behörden- und Wahlgeschäften und natürlich die grundlegenden Serien des Notariats und der Kanzlei selber. Hier angefügt wurden die ebenfalls als Arbeitsinstrument der Kanzlei geschaffenen Regionbücher. Die Inventarisierung dieser Abteilung geht gelegentlich stärker ins Detail als dies in den neueren Inventaren des Staatsarchivs des Kantons Bern üblich ist. So werden insbesondere bei den Verfassungen und Gesetzen teilweise weitgehende Hinweise auf Inhalt und Entstehung und, falls möglich, auf wissenschaftliche (gedruckte) Editionen gegeben. Dazu kommen zahlreiche Querverweise auf die Bände der "Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen".

A II Die zweite Abteilung (A II) umfasst die Protokolle und Akten der Räte. Hier finden sich die Reihen der Ratsmanuale seit 1465. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden im Inventar (nicht aber im Archiv) die Akten der Räte jeweils direkt den Protokollserien angeschlossen, denen sie chronologisch zuzuordnen sind. Dies hat zur Folge, dass die Nummerierung der Archivalien dieser zweiten Abteilung nicht fortlaufend ist.
Einen wesentlichen Bestandteil dieser zweiten Abteilung bilden die Regierungsakten seit 1803. Diese wurden 1983/84 separat erschlossen und provisorisch signiert. Der Erschliessungsgrad dieses Teils des Inventars ist ebenfalls höher als derjenige der übrigen Bestände. Da die Regierungsakten jedoch bisher völlig unerschlossen waren und in der Forschung daher kaum Berücksichtigung fanden, schien eine
ungekürzte Übernahme des erwähnten Teilinventars sinnvoll. Aus demselben Grunde rechtfertigt sich hier auch eine genauere Charakterisierung dieser Quellen:
Die Regierungsakten 1803-1831 (Akten des Kleinen Rates) reichen zeitlich von der Auflösung des helvetischen Kantons Bern bis zum Rücktritt der patrizischen Regierung im Oktober 1831, umfassen also die Zeitspanne der Mediation und der Restauration. Die Akten enthalten eine Vielzahl von Geschäften aus dem ganzen Spektrum der staatlichen Verwaltung, welche vom bernischen Kleinen Rat behandelt und verabschiedet wurden. Genauer gesagt handelt es sich beim Aktenmaterial um die Vorträge der für die bestimmten Sachfragen zuständigen Kollegien (Verwaltungsabteilungen) an die Regierung sowie die dazu gehörenden Vor- und Folgeakten.
Die Akten vermitteln einen vertieften Einblick in die einzelnen Bereiche der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit während der fraglichen Zeit. Sie erlauben es, den Verlauf eines Geschäftes bis zum Beschluss der obersten Behörde zu rekonstruieren, seinen Einzelheiten und Hintergründen nachzugehen. Sie stellen somit eine wertvolle Ergänzung zu den Manualen des Kleinen Rates dar. (Der direkte Bezug zu den Eintragungen in die Ratsmanuale wird durch einen Kanzleivermerk - Geschäft und Datum der Behandlung - auf den jeweiligen Vorträgen hergestellt.)
Es muss darauf hingewiesen werden, dass der vorliegende Teilbestand keineswegs sämtliche Regierungsgeschäfte der Zeit von 1803 bis 1831 dokumentiert. Die Akten zu einem beträchtlichen Teil der Angelegenheiten, die dem Kleinen Rat vorlagen, befinden sich in den Ämterbüchern (Kanzleiarchiv A V) sowie in den Beständen der verschiedenen Kollegien und Kammern (B-Signaturen). Im Weiteren sei darauf aufmerksam gemacht, dass einzelne Geschäfte direkt dem Grossen Rat vorgetragen bzw. vom Kleinen an den Grossen Rat weitergeleitet wurden.

Die "Regierungsakten 1803-1831" umfassen insgesamt 109 Mappen (Archiveinheiten) und sind in die folgenden drei Teile gegliedert:

1. Verwaltungsabteilungen (rosarote Mappen)
2. Kantone (graue Mappen)
3. Ausland (grüne Mappen)

Teil 1 ist detailliert erschlossen, d.h. bis zu den einzelnen Geschäften, die Teile 2 und 3 sind in der üblichen Art inventarisiert (Titel der Archiveinheit und Grenzdaten).

A III Die dritte Abteilung des Kanzleiarchivs (A III) umfasst die ausgehende Korrespondenz der bernischen Kanzlei, die Missiven und Briefe. Neben den alten Missiven (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts) sind hier insbesondere die Reihen der deutschen, welschen und lateinischen Missivenbücher hervorzuheben.

A IV Den Bereich der Beziehungen zwischen Bern und der übrigen Eidgenossenschaft deckt die vierte Abteilung (A IV: Abschiede, eidgenössische Bücher und dergleichen) ab. Die "Allgemeinen eidgenössischen Abschiede" enthalten die summarisch gehaltenen Niederschriften der Tagsatzungsbeschlüsse. Die "Evangelischen und dreiörtischen Abschiede" beinhalten die Beschlüsse der separaten Konferenzen der evangelischen Orte seit 1539, während die "Eidgenössischen Bücher" den Briefverkehr mit der Tagsatzung umfassen. Mit den Instruktionenbüchern und den Tagsatzungs-Protokollen und -Akten des 19. Jahrhunderts bilden die eidgenössischen Abschiede einen wichtigen Bestandteil des sogenannten "äusseren Archivs".

A V Den Abschluss des Inventars über das Kanzleiarchiv bilden die Akten der Kanzlei (A V). Zu diesen sind die Korrespondenzen mit ausländischen Regierungen (Auslandbücher), der Briefverkehr mit den eidgenössischen und verbündeten Ständen sowie die besonders für die Orts- und Familiengeschichte
ergiebigen Ämterbücher zu zählen. Ebenfalls in dieser Abteilung findet sich die bereits erwähnte Serie der "Unnützen Papiere". Den Abschluss der Kanzleiakten bilden die drei aufschlussreichen Gutachtensammlungen der "Allerhand Bedenken", der Quodlibet" und der "Responsa prudentum".

Oktober 1985 / Hu/Mg


Verwendete Literatur:

TÜRLER, Heinrich: Inventar des Staatsarchivs des Kantons Bern. Separat-Abdruck aus dem "Anzeiger für Schweizerische Geschichte". Bern, 1892.

VON FISCHER, Rudolf: Ein Gang durch die alten Bestände des Staatsarchivs. In: BZ II/1940, Seite 3 ff.

MEYER, Emil: Aus der Geschichte des bernischen Staatsarchivs. In: BZ II/1940, Seite 12 ff.

VON FISCHER, Rudolf: Das altbernische Kanzleiarchiv und seine Zürichbücher. In: Archivalia et Historica. Festschrift für Anton Largiadèr. Zürich 1958, Seite 21 ff.

HÄUSLER, Fritz: Das Staatsarchiv - Les Archives de l'Etat. In: Bernische Informationsblätter, Nr. 3, 1974, Seite 3 ff.
Bestandesgeschichte:Vgl. Verwaltungsgeschichte
 

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